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Wahrnehmung

Der Sehvorgang

Wenn wir die Augen öffnen, sehen wir quasi automatisch, was vor unseren Augen geschieht. Ganz so auto­ma­tisch, wie dies der Anschein macht, funktioniert Sehen nicht. Es braucht eine ziemliche Leistung des Hirns, um das Gesehene auch Wahrnehmen und schlussendlich zu verstehen können. Sehen und Wahrnehmen wird gelernt. Der Sehvorgang kann in zwei Hälften eingeteilt werden: in die sogenannte Reizaufnahme (dies ge­schieht im Auge) und in die Verarbeitung dieser Reize (dies ge­schieht im Hirn).

Die Reizaufnahme

Dieser Teil des Sehens beschreibt, wie das Licht in das Auge kommt und wie das Auge darauf reagiert. Durch die Linse fällt Licht auf die Rückwand des Auges, auf die Netzhaut. Dort entsteht ein seitenverkehrtes und auf dem Kopf stehendes Bild.

Auf der Netzhaut befinden sich zwei Gruppen von lichtempfindichen Zellen. Die rund 120 Millionen Stäbchen sind für das Hell-Dunkel-Sehen zu­ständig, die 6 Millionen Zapfen für das Farben­sehen. Fällt nun ein Lichtstrahl auf eine Zelle, beginnt diese zu reagieren und sendet über den Sehnerv Nervenimpulse ins Hirn.

Die lichtempfindlichen Zellen sind nicht gleichmässig über die Netzhaut verteilt. Im Zentrum der Netzhaut gibt es eine kleine Einbuchtung, die Fovea. Hier befinden sich vorallem Zapfen. Daher können wir Farben besser unterscheiden, die direkt vor uns liegen, als am Rand des Gesichtfeldes. In dieser Region sehen wir auch am schärfsten.

Bei ausgestrecktem Arm deckt der Daumennagel etwa diese Fläche ab. Wollen wir ein Objekt richtig erkennen, richten wir automatisch unsere Augen so aus, dass das Objekt in diesem Bereich liegt. Da die Stäbchen, sie sind für das Hell-Dunkel-Sehen zuständig, ausserhalb der Fovea liegen, können wir bei schlechten Lichtverhältnissen Objekte leichter erkennen, wenn wir nicht direkt auf sie fokussieren, sondern etwas daneben (z.B.: schwache Sterne).

Der äussere Bereich unseres Gesichtsfeldes ist eher darauf spezialisiert, Bewegungen wahr­zu­nehm­en als präzise Bilder zu liefern. Von der Evolution her macht dies auch Sinn, denn es ist wohl wichtiger, dass man in einem grossen Bereich erkennt, dass sich etwas bewegt (etwas einem angreift) und erst in einem zweiten, um was es sich genau handelt.

Die rund 126 Mio. Zellen liefern eine unglaubliche Datenmenge ins Hirn. Pro Sekunde sind dies etwa 1,2 Megabyte. Das ist so viel Information, wie auf 10’000 Seiten eines Buches Platz haben.

Sehen sie den Dalmatiner?

Die Reizverarbeitung

Bei diesen unglaublich grossen Datenmenge liegt es auf der Hand, dass unser Hirn über leistungs­fähige Strategien verfügen muss, um diese in nützlicher Frist und Energie verarbeiten zu können. Die vielen Impulse sind bis hier noch unsortiert und unklassifiziert. Nun gilt es, aus diesem Meer von Impulsen Strukturen heraus­zufiltern, um Linien, Kanten, Flächen und schlussendlich Objekte zu erkennen. Unser Verarbeitungssystem ist so leistungs­fähig, dass es auch Objekte erkennt, welches es noch nie gesehen hat.

So erkennen wir beispielsweise mühelos eine Tasse, auch wenn wir dieses Modell vorher noch nie zu Gesicht bekommen haben. Wir erkennen diese Tasse auch aus fast jedem beliebigen Beo­bachtungs­winkel, aus unter­schiedlichen Entfernungen und Licht­situationen.

Auch das Erkennen und Unterscheiden von kleinen Merkmalen macht uns wenig Mühe. Wir erkennen beispielsweise nicht nur Gesichter, sondern können diese auch bestimmten Personen zuordnen. Ja wir erkennen sogar, in was für einer Stimmungslage sich diese Person befindet, und wir erkennen das Gesicht auch, wenn es gealtert oder geschminkt ist, es sich in einer schummrigen Bar befindet, oder einen Grossteil hinter einer Sonnenbrille versteckt ist.

Die Verarbeitung der visuellen Reize muss gelernt werden und läuft normalerweise ziemlich unbemerkt ab. Bei den unten abgebildeten visuellen Phänomenen stösst dieses an seine Grenzen und zeigt somit, dass das Gesehene interpretiert werden muss, um relevante Inhalte liefern zu können.